Das Zeitalter des Wissens, der Kreativität und der Nachhaltigkeit beeinflusst unsere Wirkungskreise. Sogar unsere Branche ist stark davon betroffen, die Auswirkungen zeigen sich beispielsweise in der strukturellen Veränderung der Kundenmatrix. Die Anforderungen an den Kundenservice werden größer, die Toleranz der Endkunden geringer. In diesem Segment hört man immer wieder das Wort „Amazonisierung“ von Unternehmen. Die Endkunden wünschen sich schnellstmöglich eine proaktive und personalisierte Lösung, und das am besten bei sich zu Hause, ohne sich vertieft mit den Problemen auseinanderzusetzen. Sieht so der Kundenservice in 30 Jahren aus?
Das bedeutet wiederum für unsere Kunden ein enormes Umdenken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Es wäre gelogen, wenn wir behaupten, das hätte auf uns keinen Einfluss. In jeder Veränderung steckt jedoch eine Chance. Eine Chance, die wir nutzen möchten.
Ausrichtung in unruhigen Zeiten durch die Hilfe von Megatrends
Um diese Chance zu definieren, haben wir uns erst angeschaut, wie sich die Herausforderungen, denen unsere Kunden begegnen, gewandelt haben. Dazu ist es hilfreich zu wissen, worauf diese Wandlungen gründen und wie sie in die Zukunft wirken. Mit der Hilfe von Megatrends kann eine Einsortierung in gesellschaftliche Strukturen erfolgen. Das dezimiert die Sorge vor unternehmerischer Überforderung und gibt einen Ausblick in die zukünftige Ausrichtung von Unternehmen oder Abteilungen.
Das Grundverständnis von Megatrends beruht darauf, dass sie sich langsam, aber stetig aufbauen, bevor sie disruptiv und über einen besonders langen Zeitraum auf die Gesellschaft einwirken. Der Vorgang kann zwar durch politische Entscheidungen beschleunigt oder verzögert, jedoch nie aufgehalten oder gar gestoppt werden. Das Zukunftsinstitut hat verschiedene Megatrends evaluiert vertieft sowie deren Wechselwirkungen herausgearbeitet.
In Betrachtung auf die Probleme unserer Kunden konnten wir feststellen, dass diese in Trends, wie „Konnektivität“, „New Work“, „Urbanisierung“ und „Sicherheit“ zu finden sind. Die meisten Auswirkungen hat hierbei aber der Megatrend „Mobility“.
Andere Gesellschaften erfordern andere Mobilität
Eines der Kernziele unserer Gesellschaft ist das Streben nach einer nachhaltigeren und gesunden Zukunft. Das führt zu einem Neudenken von Städten und den darin gewachsenen Verkehrsstrukturen.
Die Städte sind in 30 Jahren für die Menschen attraktiver, grüner, vielfältiger und haben sich zu Begegnungsräumen gewandelt. Begünstigt war dieser Gedanke von der EU, die eine Reduzierung der CO2-Emissionen von neuen Autos um 55 Prozent bis 2030 und ein Verbot von Autos mit fossilen Brennstoffen bis 2035 auf den Weg gebracht hat (vgl. Europäisches Parlament 2022; Europäischer Rat 2022).
Frankfurt am Main führte 2023 ein Tempolimit von 20 km/h in der Innenstadt ein. Das Auto hat in der Stadt keine Vormachtstellung mehr. Die Städte sind 2030 zunehmend von Fahrrädern geprägt, die mehr Raum für urbane Wohnzimmer lassen, um sich dort gemeinschaftlich aufzuhalten. Dort arbeiten die Leute in 30 Jahren nicht mehr in Büros, sondern auf den Flächen, in den Parks, mobil unterwegs. Arbeiten besteht dann überwiegend aus administrativen Aufgaben und sozial geprägten Berufen, die überwiegend von KI unterstützt werden.
Private und öffentliche Verkehrsstränge gehen nahtlos ineinander über. Der Wechsel von einem Transportmittel zum anderen fällt aufgrund der wegfallenden Wartezeiten leichter und führt zu komplementären Angeboten, die sich gegenseitig begünstigen. Das kann unter, auf und über der Erde sein.
Autonomes Fahren reduziert den Bedarf an Parkplätzen. Fahrzeuge holen die Fahrgäste autonom ab und bringen diese an den gewünschten Ort, bevor sie sich zum nächsten Fahrgast begeben. Während der Fahrt können die Personen in den Fahrzeugen ihren Geschäften nachgehen oder entspannen, wodurch sich die Bedeutung von Automobilen grundsätzlich ändert – das Fahrzeug wandelt sich zum aktiven Aufenthaltsort, in dem intensive Gespräche stattfinden, gearbeitet oder kurzzeitig gewohnt wird. Bis dahin müssen wichtige Fragen geklärt werden: Wer haftet, wenn im Straßenverkehr etwas passiert? Was muss getan werden, sobald ein Fahrzeug einen Fehler hat und sich nicht mehr weiterbewegen lässt? Gibt es Notfallsysteme für die manuelle Bedienung? Braucht es weiterhin Führerscheine und wie werden diese aussehen?
Überwindung des Ständigen und Stehenden
Mobilität begriff sich vor der Pandemie vor allem als „höher, schneller, weiter“. Plötzlich wurden alle in den Stillstand gezwungen, was einen neuen Blick auf die Sache öffnete. Das Gegenteil der bisher vorherrschenden Hypermobilität zeigte sich in den leeren Städten und stillstehenden Flughäfen. Nach der Pandemie, als alles wieder langsam anlief, erfuhren wir, dass es doch Grenzen gibt – Staus häuften sich schlagartig, die Flughäfen waren im Sommer 2022 überfüllt und Leute kamen kaum vom Fleck.
Der Konflikt des unbegrenzten Reisens zeigt sich in der Frage des Antriebs unserer Fahrzeuge: wie schnell bin ich mit einem elektroangetriebenen Auto an meinem Wunschort, ohne lange an der Ladesäule zu stehen? Muss ich meine Geschäftsreise machen oder kann ich die Gespräche auch online führen? Wie werden die Transportmittel geladen? Was passiert mit den veralteten Batterien? Und was ist, wenn all das in Zukunft eigentlich gar nicht mehr gebraucht wird?
Und doch: Die Zeiten des Stillstandes – auf der Straße wie in der politischen Gesellschaft – sind vorbei.
Der digitale Übergang ist auch im Kundenservice spürbar
Das gilt auch für den Kundenservice. In 30 Jahren ist die Betreuung wesentlich personalisierter und enger an den Kunden dran. Ein eigener Assistent wird die Individuen vermutlich individuell betreuen und entsprechende Hilfestellungen geben, wo es nötig ist. Das ist dank umfassender Datenprofile und Verhaltensanalysen möglich. Vor allem werden die Vorgänge maßgeblich von künstlicher Intelligenz gestützt, wenn nicht sogar voll automatisiert, sein, ohne den Kontakt zur jeweiligen Person zu verlieren.
Der Kundenservice der Zukunft wird intensiver auf eine nahtlose Integration von verschiedenen Technologien setzen. Virtuelle Assistenten, Chatbots, Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) werden in Echtzeit miteinander und mit menschlichen Kundendienstmitarbeitern interagieren, um Problemlösungen und Informationen bereitzustellen. Kunden werden in der Lage sein, Produkte und Dienstleistungen in AR oder VR zu erleben und gleichzeitig auf menschliche Unterstützung zugreifen zu können, wenn dies erforderlich ist.
Callcenter-Systeme werden wahrscheinlich in der Lage sein, eine umfassende 360-Grad-Sicht auf den Kunden zu bieten. Dies bedeutet, dass Callcenter-Agenten Zugriff auf Informationen über vergangene Interaktionen, Präferenzen und Verlauf haben, unabhängig davon, über welchen Kanal oder zu welchem Zeitpunkt die Interaktion stattgefunden hat. So können Kunden nahtlos zwischen verschiedenen Kommunikationskanälen wie Telefon, Chat, sozialen Medien, E-Mail und Video wechseln, ohne dass sie ihre Anliegen erneut erklären müssen.
Dabei stoßen wir jetzt noch auf Fragen in Bezug auf den Datenschutz und die Umsetzbarkeit zwischen Technik und Software. Was passiert, wenn gerade kein Netz vorhanden ist? Wird AR/VR so in den Alltag integriert sein, dass wir uns nicht von der Umwelt abgeschottet fühlen? Und haben wir wirklich 24/7 die Möglichkeit, auf reale Kundenservicemitarbeitende zurückzugreifen, wenn die Künstliche Intelligenz an ihre intelligenten Grenzen stößt, und können damit weiterhin Antworten in Echtzeit erwarten?
Kundenservice funktioniert auch in Zukunft nur nah am Kunden
Ungeachtet der Fragen betont Berater Herrmann Simon im Beitrag „Hidden Champions – Service made in Germany“ vom Harvard Business Manager, dass deutsche Dienstleister in der Zukunft zwar keine Konkurrenz zu den großen Firmen wie Google, Hilton, Starbucks und andere sein werden, jedoch mit ihrem Wissen punkten können. Vor allem das Wissen um Logistik, Infrastrukturdienste, Wartung, Process Mining oder industrieller Prozesse ist ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal, mit dem Deutschland nach Exzellenz streben kann.
Um das zu erreichen, braucht es Mitarbeitende, die hoch qualifiziert und serviceorientiert denken und handeln. Simons Meinung nach braucht es die jeweilige Sprache und die unabdingbare Nähe zu den Kunden: „Nur wer es schafft, überall auf der Welt nah am Kunden zu sein und gleichzeitig eine einheitliche Unternehmenskultur zu schaffen, wird als globaler Dienstleister erfolgreich sein.“ Und natürlich werden die Dienstleister, egal ob vor Ort oder dezentral, sehr stark von Künstlicher Intelligenz unterstützt werden, damit sie sehr schnell an ihre Ziele kommen.
Zukunft ist Trumpf
Zukunft gibt also Raum für Gestaltung, gerade wenn es darum geht, kritisch-optimistische und mutige Haltungen einzunehmen. Diese Haltung und ein ganzheitliches sowie systemisches Denken, das sich sehr nah am Kunden orientiert, bauen das Fundament für eine erfolgreiche Zukunftsarbeit im Kundenservice. Dabei bildet in unserer Automotive Branche der Megatrend Mobilität eine Dynamik, die nicht mehr linear vorwärts geht. Sie verlässt mit dem Angebot von diversen Fortbewegungsmitteln die gewohnte Bahn und bringt uns so der wahren Zukunft, bestehend aus Individualität, umstrukturierten Städten, fortschreitender Digitalisierung und Andersartigkeit des Kundenservices, näher.
Wenn die Unternehmen, die in der Mobilitätsbranche angesiedelt sind, mit ihrem Kundenservice Hand in Hand und neugierig an den Veränderungen in die Zukunft gehen, wird die Kundenzufriedenheit sowie die Effizienz in der Kundenkommunikation enorm gesteigert. Das lässt uns vertrauensvoll in die kommenden Jahre blicken, dich nicht auch?