Aftermarket 4.0 – mit dem passenden Mindset die Veränderungen auffangen
Der Aftermarket ist, trotz des eng bleibenden Marktes, im Umbruch. Die Coronakrise hat den Trend zur Digitalisierung beschleunigt. Während der Corona-Pandemie haben viele Kunden weniger Autos bewegt und gebraucht, was zu einer Stärkung der älteren Fahrzeugsegmente und des Aftermarkts führt. Diese Stärkung ist auch darauf zurückzuführen, dass Kunden neue Investitionen in Autos scheuen. Das bedeutet in der Werkstattumgebung mehr Arbeit bei weniger Mitarbeitenden.
Ein weiterer Punkt ist die fortschreitende Innovation in KI-getriebenen Prozessen. Sie fungiert nahezu wie ein Booster, der nicht mehr aufzuhalten ist. Infolgedessen müssen Unternehmen agiler sein und die Transformation wollen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
PKW-Fahrer schalten mehr auf digitale Angebote
PKW-Fahrer finden digitale Angebote immer attraktiver. Sie informieren sich vor dem Besuch bei Freunden, Automobilzeitschriften, Fernsehen, Radio und dem Internet. Nur noch 41% haben den ersten Kontakt zum Unternehmen erst direkt vor Ort.
Laut Prof. Dr. Benedikt Maier, stellvertretender Direktor des IfA an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, Autor von Digitalstudie „Autohäuser im Wechselspiel zwischen online und offline“ brauchen Kunden mittlerweile insgesamt 16 Kundenkontaktpunkte, von denen neun dem Sales- und sieben dem Werkstattprozess zuzuordnen sind.
Selbst während des Werkstattbesuchs sind die Fahrer mit Recherchen zum Unternehmen im Internet beschäftigt. Es werden Fragen gestellt, ob man die Reparatur vielleicht selbst machen kann, was es kostet und ob zu viel bezahlt wird.
Das bedeutet eine stärkere Digitalkompetenz auf Seiten der Servicebetriebe und deren Teilezulieferern, kombiniert mit einem starken stationären Auftritt. Nur, wer diese Fragen als Profi auch online sofort beantworten kann, gibt den Kunden die Sicherheit, sich für den richtigen Ansprechpartner entschieden zu haben.
Als Unternehmen auf die Autobahn des Wandels fahren
Eine Studie von BBE Automotive und IFH Köln im Oktober 2020 zeigt, dass nur 18% der (Vertrags-)Werkstätten Pläne für ein neues Geschäftsmodell hatten. Dabei gibt es noch viel mehr zu bedenken und anzufangen. Zum Beispiel wünschen sich 51% aller PKW-Fahrer einen mobilen Reifenwechsel für sich zu Hause. Und 46% freuen sich über mobile Werkstattmitarbeiter, die das Fahrzeug zu Hause reparieren. Auch eine Flat für Serviceleistungen im Sinne von Netflix wäre denkbar für 72% der Fahrer.
Das führt zu einem ganz anderen gedanklichen Ansatz in Bezug auf Kunden, als das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Die Ansprüche werden agiler und individueller.
Hinzu kommt, dass Betriebe, die in den letzten Jahren nur mit Mühe über die Runden gekommen sind, sich jetzt kaum noch retten können. Das betrifft sowohl Vertrags- als auch freie Werkstätten. Für 2030 ist absehbar, dass je nach Szenario knapp 26.000 bis 64.000 Handelsunternehmen wegfallen. Um mitzuhalten, braucht es einen anderen Unternehmensansatz als bisher.
Chancen nutzen und an Tempo zulegen
Der Aftermarket 4.0 bietet mit seiner Digitalisierung im Kundenservice einige Chancen. Die wichtigsten haben wir hier zusammen getragen:
1. Verbesserte Kundenkommunikation
Durch die Digitalisierung können Unternehmen effektive Kommunikationskanäle mit ihren Kunden aufbauen. Online-Chats, E-Mail, soziale Medien und mobile Apps ermöglichen einen schnellen und einfachen Austausch von Informationen, Fragen und Feedback. Dadurch können Unternehmen die Kundenzufriedenheit erhöhen und eine engere Bindung zu ihren Kunden aufbauen. Dabei gilt nicht nur der B2C-Bereich, sondern auch bezüglich der Unternehmensbeziehungen sind diese Punkte enorm wichtig.
2. Personalisierung von Dienstleistungen
Mithilfe digitaler Technologien können Unternehmen personalisierte Dienstleistungen anbieten. Durch die Analyse von Kundendaten und Vorlieben können Unternehmen maßgeschneiderte Angebote und Empfehlungen machen, die den individuellen Bedürfnissen und Wünschen jedes Kunden entsprechen. Dies ermöglicht eine bessere Kundenbindung und steigert die Kundenzufriedenheit. In diesem Zusammenhang ist es auch möglich, herauszufinden, welche Kunden ein gesteigertes Interesse an der sofortigen Fahrtauglichkeit ihres Fahrzeugs haben und bei welchen ein Ersatzwagen mehr Sinn macht.
3. Effizientere Prozesse
Die Digitalisierung ermöglicht die Automatisierung von Routineaufgaben und Prozessen im Kundenservice. Chatbots und KI-gestützte Systeme können häufig gestellte Fragen beantworten, Terminvereinbarungen durchführen und Probleme lösen, ohne dass ein menschlicher Mitarbeiter eingreifen muss. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung von Ressourcen und einer schnelleren Bearbeitung von Kundenanfragen.
4. Erweiterte Serviceangebote
Durch die Digitalisierung können Unternehmen ihre Serviceangebote erweitern und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Zum Beispiel können mobile Apps den Kunden ermöglichen, ihre Fahrzeuginformationen und Wartungshistorie einzusehen, Termine zu vereinbaren und sogar bestimmte Wartungsarbeiten selbst durchzuführen. Unternehmen können auch zusätzliche Dienstleistungen wie Fahrzeugdiagnose, Fernwartung und mobile Reparaturen anbieten, um den Kundenservice zu verbessern und neue Einnahmequellen zu erschließen.
Das passende Mindset ist gefragt, um in die Zukunft zu fahren
Durch die Nutzung dieser Chancen können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, die Kundenzufriedenheit verbessern und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen. Es ist wichtig, dass Teamleiter im Kundenservice das richtige Mindset haben, um die Potenziale der Digitalisierung zu erkennen und in ihre Strategien und Prozesse zu integrieren. Hierzu gehört, dass Unternehmen nah am Geschehen sind, offen und chancenorientiert agieren. Effiziente und digitalisierte Prozesse stützen die Transformation maßgeblich – intern und extern. Prozesse, die die Mitarbeiter jedoch nicht mittragen, scheitern auf ganzer Linie. Das bedeutet für Unternehmen, Überzeugungsarbeit zu leisten und die Digital- und Technikkompetenz behutsam aufzubauen sowie weiterzuentwickeln. Damit können sie auch in Zukunft die bestmöglichen Ergebnisse erzielen.
Quellen:
Aftermarket 4.0 BBE Automotive, IFH Köln, Köln, Oktober 2020
Kontaktbedarf kennen | Digitalstudie 2022 | Autohaus S. 48
Autohäuser im Wechselspiel zwischen online und offline | Prof. Dr. Benedikt Maier, ifa, TÜV Nord
Roland Berger, Kräfteverschiebung im KFZ-Aftermarket
Foto von drmakete lab auf Unsplash